María de la O. Ein vergessenes Marienfest am 18. Dezember
Wolfram Aichinger, in Zusammenarbeit mit Sabrina Grohsebner
Zwischen 1665 und 1672 wurden im Sagrario Metropolitano von México fünf Mädchen auf den Namen María de la O getauft: am 27. Dezember 1665, 29. Dezember 1668, 30. Dezember 1668, 6. Jänner 1672 und am 29. Dezember 1671[1]. Ab dem 17. Jahrhundert war dieser Name, María de la O, in der ganzen Hispania verbreitet. – Nun, niemand wundert sich über Mariennamen in Spanien oder Mexiko, doch was bedeutet das O? Und warum wurde gerade dieser Name nahe am Weihnachtsfest vergeben?
Die Frage führt zum 18. Dezember: an diesem Tag feierte die katholische Kirche der Frühen Neuzeit das Fest Mariä Erwartung. Maria sieht hochschwanger der Geburt Jesu entgegen. Gesänge, die an dem Tag zu Ehren der Gottesmutter angestimmt wurden, setzten mit dem Ausruf O ein. Es war ein O der staunenden Verehrung, und wohl auch – wörtlich und übertragen – der vollendeten Rundung, des vollendeten Zyklus von 40 Wochen: Maria sicut luna perfecta.
Das Fest der María de la O am 18. Dezember hatte so große Bedeutung, dass der deutsche Gesandte in Madrid, Franz Eusebius Pötting, es in seinem Diarium im Jahr 1664 als Besonderheit spanischer Frömmigkeit hervorhob. Bilder und Statuen der schwangeren Jungfrau finden wir nicht nur in den Dorfkirchen Kastiliens, Galiziens oder Kataloniens, auch am Königshof waren sie begehrt.
Wir können also vermuten, dass jene mexikanischen Mütter, von denen oben die Rede war, ihre kleinen Töchter María de la O nannten, weil diese um den 18. Dezember herum das Licht der Welt erblickten. Diese Frauen sahen in Maria eine Mutter, die wie sie selbst in winterlicher Zeit die letzten Tage vor einer Geburt durchlebt hatte. – Papst Benedikt XIV. hingegen ließ das Fest 1741 aus dem katholischen Kalender streichen; Marienverehrung, die so stark die menschlich-körperliche Seite der jungfräulich Gebärenden betonte, war nicht mehr erwünscht.
Was vom Fest bis in die Gegenwart blieb, ist der Name: Die Autorin María de la O Lejárraga (1874-1974) trug ihn. María de la O heißt auch die Figur, die in der copla gleichen Namens mit viel Leidenschaft besungen wird. Manuel Quiroga komponierte das Lied 1933 für Estrellita Castro, den Text schrieben Salvador Valverde und Rafael de León; YouTube offeriert davon die eine oder andere herausragende Interpretation.
[1] Boyd-Bowman, Peter. “Los nombres de pila en México desde 1540 hasta 1950.” Nueva revista de filología hispánica 19.1 (1970): 12-48, 20n6.