Joëlle Sambi ist eine belgisch-kongolesische Dichterin. Sie ist in der französischsprachigen feministischen und queeren Community für ihre Gedichte und Performances bekannt, insbesondere für „Not all men“, einen zutiefst feministischen Text, der den Sexismus in all seinen Dimensionen angreift.
In dem Gedicht „Combien“, wie auch in vielen anderen Gedichten der Sammlung et vos corps seront caillasses (L’Arche, 2024), spricht die Dichterin den Rassismus frontal an, ohne etwas zu euphemisieren oder zu entschuldigen. Auf den zwei Seiten einer manchmal körperlich anstrengenden Lektüre fordert Joëlle Sambi mithilfe einer Anapher Rechenschaft: Wie viele Opfer hat der Rassismus? Alles kommt vor: die Kolonialisierung, die Polizeigewalt, die Traumata, die bis heute andauern, die verbale und physische Gewalt, die Toten im Mittelmeer, der staatliche Rassismus.
Die Fragen folgen aufeinander und sind zunächst allgemein, werden aber in den letzten Versen persönlich, wenn der lyrischer Ich (sich) fragt, wann sie endlich als vollständig zur westlichen Welt gehörend betrachtet wird.
Eine traurig-ironisch-rhetorische Frage, denn das Gedicht endet mit den Worten „une bonne immigrée, une bonne évoluée“ und betont damit, dass sie im besten Fall als schwarze Frau betrachtet wird, die sich von anderen unterscheidet, weil sie „weiterentwickelt“ ist, im Vergleich zu den übrigen schwarzen Menschen, die weiterhin minderwertig sind.Eine potenzielle „Entwicklung“, die das lyrischer Ich keineswegs zufrieden stellt, denn das Gedicht endet mit einer weiteren Anapher, „Ca a quelle gueule“, deren Pronomen entmenschlichend und verdinglichend ist, und mit einer x-ten Frage, einem x-ten Fragezeichen.
Die Lektüre des Gedichts hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, da die Wut der Dichterin im Kopf bleibt. Es ist ein Text von seltener Kraft, dessen Wirkung durch die Performance auf der Bühne vervielfacht wird.
ein Beitrag von Alex Lachkar